Kulturpolitik: Museumsklima im Wandel

Mit der Energiekrise hat die Debatte um den Ressourcenverbrauch in Museen Fahrt aufgenommen. ICOM Schweiz lanciert deshalb die Plattform «Museumsklima». Das Ziel: den Austausch unter Museumsfachleuten zu fördern und eine bessere Datenlage zum Umgang mit Klimakorridoren zu erhalten.

Museumsmitarbeiter:innen, die in der Skijacke am Arbeitsplatz vor sich hinfrieren: Sie gab es diesen Winter wohl mancherorts. Viele öffentlich finanzierte Häuser mussten angesichts der befürchteten Energiekrise bei den kantonalen Sparvorgaben mitgehen und die Heizungen herunterdrehen. Nachdem die Kantone ihre Energiesparmassnahmen aufgehoben haben, zeigt sich: Auch wenn das Frieren im Museum längerfristig kein tragbarer Zustand ist, sind die Kulturinstitutionen in der Pflicht, ihren Fussabdruck genau zu studieren. Ein Museum verbraucht viel Energie – das Sparpotenzial ist entsprechend hoch. Besonders bei der Klimatisierung der Häuser.

«Die Ansprüche gehen teilweise weit auseinander», sagt Natalie Ellwanger. Sie ist Co-Präsidentin des Schweizerischen Verbands für Konservierung und Restaurierung (SKR). Wenn es ums Klima im Museum geht, unterscheiden sich die definierten klimatischen Vorgaben für unterschiedliche Objekte und Materialien, für die Bedingungen in Depots einerseits und für Ausstellungsräume andererseits fundamental. Ellwanger begrüsst das Bestreben von ICOM Schweiz, statt mit einem Sollwert mit einem erweiterten Klimakorridor zu arbeiten: also einen breiteren Rahmen zuzulassen, in dem sich Temperatur und relative Feuchte bewegen dürfen.

Das Projekt unter der Leitung von Vorstandsmitglied Dr. Nathalie Bäschlin, Chefrestauratorin Kunstmuseum Bern und Dozentin HKB, geht in die gleiche Richtung wie etwa beim Deutschen Museumsbund:Dieser empfahl als Massnahme im Rahmen der Energiekrise Temperaturgrenzwerte zwischen 18 und 26 Grad Celsius und eine Toleranz zwischen 40 und 60 Prozent relativer Feuchte. Der noch immer weit verbreitete Standard lässt nur Schwankungen von wenigen Grad und eine Luftfeuchte von rund 50 Prozent zu.

Schwankungen ja, aber nur langsam

Ein Notfallplan aufgrund des Strommangels darf nicht mit dem langfristigen Bestreben nach Energieeffizienz verwechselt werden. Und doch zeigt er die Stossrichtung. Die Einhaltung der starren Vorgaben – immer und ungeachtet der Jahreszeiten – ist sehr aufwändig und damit der Energiefresser schlechthin. Weiterhin soll aber gelten, dass die Schwankungen innert 24 Stunden nicht grösser als 5 Prozent relative Luftfeuchte und 2 Grad Celsius sein dürfen.

Als Konservatorin und Restauratorin hat Natalie Ellwanger die Erfahrung gemacht, dass Objekte mehr aushalten, als man ihnen zutraut. «Ich habe schon in einem Museum mit sehr hohen Jahresschwankungen gearbeitet – und die Objekte nahmen nicht grösseren Schaden als in einem aufwändig klimatisierten Museum.» Entscheidend sei aber, dass die Schwankungen sehr langsam vonstattengingen. Wenn es also im Winter kalt und im Sommer warm ist, leiden die Exponate noch nicht per se. Anders sieht es jedoch aus, wenn sie regelmässig innert weniger Stunden grossen Schwankungen von Temperatur und Feuchtigkeit ausgesetzt sind.

Doch wie gelingt es, Schwankungen zu verlangsamen? Entscheidend ist das Gebäude. Möglichst gut isolierte Aussenwände sind der Schlüssel zum organisch-konstanten Klima, ebenso die Verwendung hygroskopischer Baumaterialien. Für Ellwanger ist das Vorarlberg Museum in Bregenz ein Vorzeigebau: Der Lehmputz an den Wänden und die sägerohen Holzfussböden unterstützen passiv die Regulierung des Raumklimas. Zudem wird die Temperatur nicht über die Luft geregelt, sondern über eine Bauteilaktivierung in Form eines Wand- und Bodentemperierungssystems, vergleichbar mit einer Fussbodenheizung. Über dieses System kann sowohl erwärmt wie auch gekühlt werden. Diese Art der Temperaturregulierung ist träge – und damit genau das, was man in einem Museum will.

Wenig Spielraum in alten Gebäuden

Von solchen Möglichkeiten kann Miriam Tarchini nur träumen. Sie ist verantwortlich für die präventive Konservierung im Museum Murten. Die Institution ist in der denkmalgeschützten alten Stadtmühle untergebracht. Deren Aussenwände sind unten aus Stein und oben aus Holz und Verputz, der Dachstock ist nicht isoliert. Das Treppenhaus ist offen, es gibt keine geschlossenen Räume. «Wir haben wenig Spielraum, um die Situation zu verbessern», sagt Tarchini, «wir können gar kein stabiles Wunschklima hinkriegen.» Somit ist auch das Energiesparpotenzial gering. Empfindliche Sammlungsstücke und Leihgaben werden in Klimavitrinen ausgestellt. Das funktioniert gut, schränkt aber die kuratorischen Möglichkeiten ein.

Wie unterschiedlich die Ansprüche verschiedener Häuser sein können, weiss auch Werner Müller. Er ist Leiter Restaurierung im Kunstmuseum Basel, das sich seit Jahren intensiv mit seinem Klima auseinandersetzt. Er begrüsst die ICOM-Stossrichtung, warnt aber vor schnellen Lösungen. «Einfach die Klimaanlage runterzudrehen, kann kontraproduktiv sein», sagt er. Etwa im internationalen Leihverkehr sieht er Herausforderungen - und unterschiedliche Kulturen. «In deutschen oder holländischen Museen stellen meist die Restaurator:innen die Bedingungen für Leihgaben auf. In Frankreich und Grossbritannien kümmert sich die Rechtsabteilung darum - und beharrt streng auf der Luftfeuchtigkeit von 48 bis 52 Prozent.» Museen, die auch auf Leihgaben setzen, können also nicht ohne Weiteres den breiteren Klimakorridor umsetzen, solange das Museumsklima international noch sehr unterschiedlich betrachtet wird.

Das Kunstmuseum Basel befindet sich laut Müller in einer Phase der intensiven Messungen und wird dabei auch vom Kanton unterstützt. Es gilt herauszufinden, wie die drei Gebäude, die zum Museum gehören, auf die Umwelteinflüsse und die Klimatisierung reagieren. Es ist eine interdisziplinäre Herausforderung, die mitspielenden Faktoren richtig einzuordnen. «Wichtig ist, dass die Museen ihre Häuser gut kennen», sagt Müller. Erst dann lasse sich mit möglichst wenig Energieaufwand möglichst viel erreichen.


Autor Michael Feller, Redaktor Kultur & Gesellschaft "Der Bund"