Nachhaltige Museen sind «Happy Museums»​

Das kürzlich lancierte Projekt «Happy Museums» lädt die Schweizer Museen ein, sich vertieft mit der Frage auseinanderzusetzen, was ihr Beitrag im Nachhaltigkeitsdiskurs sein könnte – in der Wissensvermittlung und zur Anregung der Reflexion bei den Besucherinnen und Besuchern, aber auch in der institutionellen Verankerung von Nachhaltigkeitskriterien.

Glück, das ist als Kurzformel gefasst: individuelles Wohlbefinden. Verbunden mit der Frage der Nachhaltigkeit geht es jedoch um viel mehr: Es geht ebenso um gemeinschaftliches und globales Wohlbefinden, zugleich um Verantwortung für die Gesellschaft und für den Planeten. Diese erweiterte Dimension unterstreicht die Projektleiterin Nadja R. Buser im Gespräch auf die Frage, warum Helvetas sich dieses Themas angenommen hat, und sie zitiert Catherine O’Brien, eine kanadische Professorin für Bildungswissenschaften: «Nachhaltiges Glück ist Glück, das sowohl zu persönlichem als auch zu gemeinschaftlichem und globalem Wohlbefinden beiträgt und weder andere Menschen noch die Umwelt oder kommende Generationen schädigt.» Um das Thema auf die «systemische Ebene» zu bringen, wie Nadja R. Buser sagt, initiierte Helvetas das Netzwerk «Happy Museums». Die Trägerschaft liegt nun beim Netzwerk Nachhaltigkeit in Kunst und Kultur (2N2K), die Geschäftsleitung bei Pia Viviani und Jenny Casetti von catta. In der Steuergruppe engagieren sich Museen, Verwaltungsstellen sowie der VMS und ICOM Schweiz. Als Impulsgeber wirkte das vor zehn Jahren lancierte britische «Happy Museum Project», das die Herausforderung der Nach-haltigkeit mit dem institutionellen und gesellschaftlichen Wohlergehen und mit dem Begriff der Resilienz (von Menschen, Orten und Planeten) verbindet – also neben der ökologischen insbesondere auch die soziale Dimension der Nachhaltigkeit unterstreicht.

Dass Nachhaltigkeit drei Dimensionen umfasst, die ökonomische, die ökologische und die soziale, kann mittlerweile als bekannt vorausgesetzt werden, letztlich entfalten sie aber erst im Zusammenwirken das Potenzial und die Kraft dessen, was Nachhaltigkeit in der Gesellschaft und auf dem Planeten, aber auch in den Institutionen selbst bewirken kann.

Happy Museums – das Schweizer Netzwerk

Ein Blick auf die Website von «Happy Museums» zeigt, dass die Schweizer Initiative den Fokus zunächst auf angebotsorientierte Aktivitäten und auf die ökologische Dimension zu legen scheint, verbunden mit dem Ziel, dass möglichst viele Schweizer Museen und Ausstellungshäuser mittels Ausstellungs- und Vermittlungsaktivitäten ihre Gäste zu konkreten, individuellen Verhaltensänderungen animieren. Im Gespräch erweist sich dieser Eindruck als falsch: «Es geht ganz klar genauso auch um institutionelle Prozesse und ebenso um die soziale Dimension der Nachhaltigkeit», betont Nadja R. Buser. Etwa um die Frage, wie stark die Museen sich des Themas Diversität annehmen – strukturell beispielsweise in der Zusammensetzung von Teams und Gremien, angebotsbezogen in Ausstellungsthemen oder deren Kommunikation.

Dass meine Nachfrage gleich aufgenommen und der Text auf der Website umgehend präzisiert wurde, zeigt, dass «Happy Museums» prozesshaft unterwegs ist: lernend, reflektierend, sich dem Potenzial des Themas und dessen Veränderungskraft für die Museumslandschaft schrittweise annähernd, die Wirkungsziele der Initiative dabei stetig konkretisierend. Nach einem ersten Treffen im Sommer 2021, an dem die Museen ihre Bedürfnisse schildern und den Unterstützungsbedarf darlegen konnten, folgt Ende November 2021 für die Vertiefung der Diskussion ein erster Impulstag. Die Schweizer Museen sind eingeladen, Praxisbeispiele zu präsentieren und ihre Erfahrungen zu teilen.

Keynote-Speaker des Impulstags ist Daniel Dubas, Delegierter des Bundesrates für die Agenda 2030. Für ihn sind alle Akteure und Akteurinnen auf ihrer jeweiligen Ebene für die Umsetzung der Agenda 2030 relevant. Er betont die Rolle der Museen bei der Vermittlung der Agenda an ein breites Publikum, gibt aber auch zu, dass er sie diesbezüglich bislang nur wenig auf dem Radar hatte. Um die Ziele der Agenda zu erreichen, müsse man alle drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung – Umwelt, Soziales und Wirtschaft – gleichwertig berücksichtigen und nicht gegeneinander ausspielen. «Als Begegnungsorte bieten die Museen eine wertvolle Plattform, um zu diesen Themen Wissen zu vermitteln und die Diskussion anzuregen», betont Daniel Dubas. Wichtig sei aber auch, dass Museen etwa beim Energieverbrauch der Museumsgebäude oder bei der Diversity der Mitarbeitenden mit gutem Beispiel vorangingen.

Es tut sich was in den Institutionen

Museen sind in ihrem Selbstverständnis herausgefordert, sie reflektieren ihre Rolle in der Gesellschaft und für den gesellschaftlichen Wandel. Die Vorstösse zur Stärkung von Inklusion, zu mehr kultureller Teilhabe, zur Verankerung von Diversity und Gendergerechtigkeit weisen bei genauer Betrachtung alle in dieselbe Richtung und lassen sich letztlich unter dem Ziel der Nachhaltigkeit zusammenfassen.

Verschiedene Museen sind bereits an der Arbeit. Das Museum für Kommunikation in Bern geht die Herausforderung von mehreren Seiten an. Mit dem partizipativen Projekt «Planetopia – Raum für Weltwandel» entwickelt es explorativ eine gemeinsame Grundhaltung zur Bedeutung der ökologischen Nachhaltigkeit. Parallel dazu widmet sich das Museum den sozialen Nachhaltigkeitszielen: Es erarbeitet aktuell eine Diversitätsstrategie und verknüpft diese mit angebotsbezogenen Projekten im Bereich Inklusion und Teilhabe wie «Multaka», «Lapurla» und «Kultur inklusiv» (vgl. Heft Nr. 17). Die Direktorin Jacqueline Strauss, die sich auch in der Steuergruppe von «Happy Museums» engagiert, meint: «Die Entwicklung geschieht im Museum für Kommunikation von innen heraus und drückt sich in einem bewussten Umgang mit Diversität, Innovation und Partizipation aus, welche wir als zentrale Aspekte der sozialen Dimension von Nachhaltigkeit anerkennen.»

Das Musée d’ethnographie in Genf (MEG) hat bereits eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie verfasst, verbunden mit dem Ziel, ein Referenzmuseum für nachhaltige Entwicklung zu werden. Das Programm zur Verbesserung der Nachhaltigkeit und zur Verringerung des CO2-Fussabdrucks beinhaltet eine umweltverträgliche Szenografie und Einkaufspolitik, eine institutionelle Umgestaltung des Museums und nicht zuletzt ein Veranstaltungsprogramm zur Klimakrise. Die aktuelle Sonderausstellung «Injustice environnementale – Alternatives autochtones» bildet dabei den Ausgangspunkt für den Dialog mit der Öffentlichkeit. Das MEG wird seine Erkenntnisse am Impulstag des Netzwerks «Happy Museums» präsentieren, welches die Stärken der Schweizer Institutionen im gegenseitigen Erfahrungsaustausch bündeln will.

Label in Planung

Neben dem Impulstag – er soll künftig jährlich stattfinden – bereitet das Netzwerk «Happy Museums» einen «Just do it Fund» vor, um ab 2022 Museen im Veränderungsprozess konkret zu unterstützen. 2023 wird ein Prozesslabel für Museen lanciert, das eine Verpflichtung und eine Bereitschaft beinhaltet, sich gemeinsam mit anderen auf den Weg zu machen. Die Betonung liegt dabei auf der Entwicklung. Es geht weniger um ein Abhaken von Kriterien – zumal sich diese gewiss als zu starr und angesichts der grossen Unterschiedlichkeit der Museen in der Schweiz als wenig dienlich erweisen würden. Es wird sich zeigen, wie die Museen die Impulse aufnehmen und die unterschiedlichen Dimensionen der Nachhaltigkeit gewichten werden, sowohl in ihren Angeboten als auch in ihren Strukturen. Wie sehr werden sich in den kommenden Jahren die Museen verändern, wenn sie das «Glück» in ihre Ziele integrieren und in ihrer Praxis verankern?

Katrin Rieder, Kulturvermittlerin und Organisa-tionsberaterin, leitet u. a. Projekte zur Stärkung der kulturellen Teilhabe, Co-Initiatorin «Multaka Bern»

Artikel «Das grüne Museum? Institutionsentwicklung mit Ziel: Nachhaltigkeit» ist in der Ausgabe Nr. 13, S. 10–17 nachzulesen.